Dank der guten Zusammenarbeit mit dem Institut für Finanzdienstleistungen (IFZ-HSLU) wurden wir vom InventxLab an diese Veranstaltung eingeladen, was uns sehr gefreut und geehrt hat. Danke, Thomas! Aber legen wir den Fisch doch auf den Tisch: Wer hat noch Lust auf das Thema Blockchain? Nach jahrelangem Hype sind doch alle froh, dass das Thema erledigt ist. Wo ist denn die viel zitierte Disruption geblieben? Neben Kryptowährungen ist doch nicht wirklich etwas passiert, oder? Also: Wieso noch Zeit investieren…?
Aber halt: Tut sich da im Tal der Enttäuschungen – wie es Gartner in seinem Hype-Cycle Framework nennt – etwa ein neuer Horizont auf? Gerne berichten wir aus erster Hand, was führende Experten und Forscher an der tägigen Veranstaltung präsentiert und diskutiert haben.
Blockchain Zug – Joint Research Initiative
Bekanntlich ist der Kanton Zug als Herz des «Crypto-Valley» positioniert. Für die Blockchain-Initiative des Kantons Zug ist die Zusammenarbeit zwischen Verwaltung, Forschung und Privatwirtschaft zentral, was mannigfaltig gefördert wird. Nun soll die Blockchain-Forschung ausgebaut und mit rund CHF 40 Mio. über 5 Jahre finanziert werden. Das Bestreben dieser kantonalen Initiative ist es, dass das Thema umfassend betrachtet wird. So soll zum Beispiel an der Universität Luzern in verschiedenen Fakultäten holistisch am Thema gearbeitet werden. Es werden u.a. die Bereiche Makroökonomie, Philosophie, Psychologie, Rechtswissenschaften und Politikwissenschaften abgedeckt. Auch die HSLU kann im Rahmen dieser Initiative ihre Arbeiten ausbauen, was in die bisherigen Strukturen bei Prof. Thomas Ankenbrand im CC Investments umgesetzt wird.
Erfahrungen aus 15 Jahren Blockchain
In seinem Referat strich Andreas Furrer – Professor an der Uni Luzern – heraus, dass die Blockchain-Technologie unterdessen eine lange Erfahrungsreise hinter sich hat und deshalb viel Know-how über Erfolg und Misserfolg dem Markt zur Verfügung steht. Der Fokus lag primär in Anwendungen der Finanzindustrie. Diese Umsetzung auf Basis von unternehmerischen Initiativen förderte zwar die privatwirtschaftliche Wertschöpfung, aber nicht die generelle Entwicklung der Technologie.
Daraus resultieren signifikante technologische Lücken, so z.B. der Umstand, dass die einzelnen Systeme nicht interoperabel sind. Liegt die Zukunft von Blockchain in einem Neuaufbau und allenfalls sogar ausserhalb der Finanzindustrie?
Um die Blockchain-Technologie nachhaltig in die Branchen zu bringen, sind gemäss Furrer gewisse Rahmenbedingungen, wie z.B. eine übergreifend funktionierende, digitale Identität oder auch ein passendes rechtliches Framework zwingend. Es bleibt also noch viel Basis-Arbeit zu tun, um die Technologie breit und solide zu verankern.
Katya Malinova von der DeGroot Business School in Ontario/Kanada präsentierte einen Vergleich zwischen den Entwicklungen im Telco-Markt und dem Banking. Sie stellte fest, dass den Untergang von Nokia, Blackberry & Co. letztlich der Shift von einer fragmentierten Infrastruktur auf eine zentralisierte Plattform (App-Store) auslöste. Die aktuelle, individualisierte Infrastruktur der Marktteilnehmer (Banken, Börse, Payment-Schemes, Intermediäre etc.) in der Finanzindustrie sei ineffizient. Das ist sicherlich nachvollziehbar, bedenkt man die individuellen IT-Architekturen pro Institut. Gemäss Research seien zentrale Infrastrukturen wie die Blockchain rund 30% günstiger. Ob dies jedoch ausreicht für eine derart fundamentale Änderung des Sektors bezweifle ich, denn Marktstruktur, Rahmenbedingungen und Dynamik sind keineswegs vergleichbar.
Organisation & Regulation
Bekanntlich geht es insbesondere in der Finanzindustrie um Sicherheit und Vertrauen. Robin Fritsch von der ETH zeigt in seinem Beitrag auf, dass dezentralisierte, autonome Organisationen (DAO) – am Beispiel von verschiedenen Projekten auf Ethereum erhoben – offensichtliche Schwächen in der Governance haben. Es ist also genauer hinzuschauen, wie und von wem die Entscheidungen hinter DAO effektiv getroffen werden.
Weiter wurde die Zuordnung von DAO ins Gesellschaftsrecht (OR) diskutiert. In welchem Land und unter welches Recht fallen derartige internationale, dezentrale Organisationen? Die Struktur der AG oder GmbH ist offensichtlich nicht stimmig mit der Natur von DAO. Handelt es sich also um eine einfache Gesellschaft oder eine Kollektivgesellschaft oder gar um einen Verein? Im Falle einer einfachen Gesellschaft wäre gemäss OR zum Beispiel jedes Mitglied einer DAO persönlich haftbar.
Die spannende Auslegeordnung von Stephan Meyer zeigte, dass noch keine passenden Gefässe existieren. Wird es eine DAO-Entität im künftigen Gesellschaftsrecht geben? Wird dazu ein internationaler Rahmen als Basis definiert?
Nina Reiser – Professorin für Finanzmarktrecht der Universität St. Gallen und zuvor bei der FINMA – und Thomas Dünser, ehemals FMA und VP Bank, beleuchteten in ihren Referaten ferner die Herausforderungen und Lösungsansätze im Bereich der Regulation von Blockchain-Unternehmen. Es wird eine Gratwanderung werden, einerseits die Sicherheit zu gewähren und andererseits die Innovation nicht zu unterbinden (vgl. hierzu auch die FINMA Fintech-Regulierung).
Entwicklung in China
Zum Abschluss des Tages schaltete sich noch Michael Sung, Professor an der Fundan Universität Shanghai, aus China dazu. Es brachte uns näher, wie in China mit der Blockchain-Technologie umgegangen wird. Wie zu erwarten war, gibt es einen strategischen Plan, der top-down umgesetzt wird. Und natürlich haben Blockchain und Kryptowährungen auch eine grosse, politische Dimension. So zeigte er auf, dass die US-Sanktionsmassnahmen dazu führen, dass der dadurch erwirkte Geldabfluss aus dem internationalen Zahlungsverkehr (SWIFT) die Nachfrage nach alternativen Systemen befeuert. Weiter zeigte er auf, dass erste (grossflächige) Gehversuche in China mit programmierbarem Geld (e-Yuan/e-CNY bzw. digitales Zentralbankgeld oder CBDC) laufen. So könnten beispielweise in einer nächsten Pandemie digitale Ausschüttungen getätigt werden, die dann zum Beispiel mit einem Ablaufdatum versehen wären oder nur zu gewissen Zwecken genutzt werden könnten. Bekanntlich läuft auch hierzulande ein Test – jedoch nur im so genannten Wholesale-CBDC, also unter 6 Schweizer Banken resp. der SNB (Helvetia Phase III).
Persönliches Fazit
Mir gefällt sehr, dass das Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln und in einem Workshop-artigen Format bearbeitet wurde und verschiedene Perspektiven aus Recht, Mikro- und Makroökonomie sowie Technologie zusammenfliessen. Die Anwendungsgebiete der Blockchain in der Finanzindustrie sind gut beleuchtet. Kryptowährungen haben ihren Platz in der Praxis gefunden und werden bleiben. Auch die Digitalisierung von Franken, EURO etc. wird kommen. Ich gehe aber nicht davon aus, dass die Blockchain die zentrale Ledger-Funktion der heutigen Kernbankensysteme in absehbarer Zeit ablösen wird. Auf der anderen Seite sollten wir die fundamentalen Potenziale (in- und ausserhalb) der Finanzindustrie nicht unterschätzen.
Das Konzept von Smart Contracts ist auch unabhängig von Blockchain umsetzbar und wird für jene Banken unumgänglich sein, die eine Differenzierungsstrategie ihrer Marktleistungen umsetzen wollen. Neben den grossen technischen Herausforderungen (vgl. Quantum Safe Encryption) in der Infrastruktur sind noch viele Lücken bei den Rahmenbedingungen zu schliessen, um die Adoption von Blockchain in der Praxis nachhaltig voranzutreiben. Und wer weiss – vielleicht sind auch auf der Blockchain «normale» Geschäftsmodelle als Intermediär von Finanzdienstleistungen weiterhin en vogue.
Was ist Ihre Einschätzung? Ich freue mich auf Feedback!