«Ohne funktionierende IT sind wir innerhalb von drei Tagen konkurs!» Dies sagte uns jüngst ein Vertreter einer Bank. Diese Aussage drückt auf eindrückliche Weise den heutigen Stellenwert der IT im Banking aus. Auch der Regulator hat das längst erkannt, und es erstaunt deshalb nicht, dass Business-Resilienz nicht nur eine Frage der Kapitalisierung ist – sondern auch der Informatik! Die fortschreitende Digitalisierung führt bekanntermassen dazu, dass immer mehr Geschäftsprozesse über IT-Applikationen abgedeckt werden und somit die IT-Durchdringung weiter ansteigt. Neue Geschäftsmodelle, neue Marktleistungen, neue Technologien, aber auch Kooperationen mit anderen Unternehmen sowie die zielgruppenspezifische Adressierung von Bedürfnissen über neue «Erlebnisse» feuern die Anforderungen an die Informatik weiter an. Die daraus entstehende enorme Komplexität in Betrieb und Weiterentwicklung der Anwendungslandschaft stellt die Banken vor grosse Herausforderungen.

Von der Standard-Kernbankensoftware zu neuen IT-Architekturen

Blenden wir kurz zurück: Im Jahr 2001 kaufte Swisscom die AGI IT Services, auf deren Host-Plattform damals acht Kantonalbanken betrieben wurden. Die darauffolgenden Jahre waren geprägt davon, dass die Schweizer Kantonal- und Regionalbanken ihre Host-Anwendungen auf branchenspezifische Standard-Software (Avaloq & Finnova) migrierten. Diese Applikationen – flankiert von zahlreichen Umsystemen – prägen auch heute noch die Anwendungslandschaften dieser Banken.

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Um aber innovative Anforderungen an der Kundenschnittstelle umzusetzen, haben viele Banken ihre Kernsysteme unterdessen über einen so genannten Integration-Layer entkoppelt und moderne Apps eingeführt, die mit neuen Integrationstechnologien (API) an die bestehenden Systeme angedockt werden. Diese IT-Architektur hat natürlich ihre Sonnen- und Schattenseiten: Die starke Prozessintegration, die breite Abdeckung von unterschiedlichen Anforderungen, die Robustheit und das zentrale Datenmanagement werden von Banken durchwegs geschätzt – haben aber ihren Preis. Die Komplexität beherrschen und einen stabilen und performanten Betrieb über die gesamte Anwendungslandschaft hinweg gewähren, kommt jedoch einer Herkulesaufgabe gleich. Zudem werden Fachkräfte für die in die Jahre gekommenen Technologien zusehends rar.

Strategische Weiterentwicklung der Technologieplattformen lässt Optionen offen

Werfen wir nun also einen Blick in die Zukunft. Die zunehmende Dynamik auf allen Ebenen der Technologie-Plattform ist omnipräsent. Innovative, cloud-native Anwendungen schiessen wie Pilze aus dem Boden, monolithische Anwendungen werden in Micro-Services überführt, die Migration auf Cloud-Plattformen ist in vollem Gange und neue Konzepte in der IT-Security (Zero-Trust) müssen konsequent umgesetzt werden. Als Orientierungsrahmen für die strategische Weiterentwicklung haben wir deshalb die folgenden drei Optionen erarbeitet:

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Der Brownfield-Ansatz

Der Kern des Brownfield-Ansatzes besteht darin, die maximale Funktion aus dem bestehenden Kernbanken-System sowie den Front-End-Produkten des entsprechenden Software-Herstellers zu nutzen. Damit verstärkt sich die Abhängigkeit zum jeweiligen Hersteller der Kernbankenlösung deutlich (Lock-in-Effekt). Nicht nur auf kommerzieller Ebene, sondern auch im Technologie-Stack. So sind Banken gezwungen, die neuen Cloud-Plattformen (Finnova Omega oder Avaloq ACPR) nach Massgabe der Software-Hersteller zu betreiben, um neue Anwendungen zu nutzen. Das ist ein bewährtes Konzept, jedoch mit eingeschränkten Differenzierungspotenzialen. Deshalb stellt sich aus unserer Sicht die Frage, ob damit die Innovationsfähigkeit der IT die zukünftigen Anforderungen hinsichtlich Funktionen und Time to Market des Business erfüllen kann (Innovationsfähigkeit).

Der Greenfield-Ansatz

Die Greenfield-Strategie sieht vor, dass das bestehende Kernbankensystem vollständig abgelöst wird. Das neue Kernbankensystem liefert die Transaktionsverarbeitung (system of records) – alle anderen Funktionen sind ausserhalb angesiedelt. Eine solch neue Core-Plattform – wie beispielsweise «Vault» des britischen Herstellers Thought Machine – basiert auf modernen, cloud-nativen Technologien und verspricht eine optimale Skalierbarkeit und einen Betrieb auf Basis moderner Cloud-Services. Eine Schweizer Universalbank vollständig auf eine solche Lösung zu migrieren, ist aktuell auf Grund der mannigfaltigen Funktionalitätsanforderungen und der nötigen Helvetisierung noch nicht vorstellbar. Jedoch zeigen internationale Projekte, dass dies möglich ist – ein äusserst schlankes Geschäftsmodell ist jedoch unabdingbar! Damit stellt sich primär die Frage der Machbarkeit.

Der Redfield-Ansatz

Der Redfield-Approach ist ein Kompromiss der beiden zuvor geschilderten Optionen. Das bestehende Kernbanken-System wird weiterhin genutzt – jedoch werden kritische, für die Umsetzung der Innovationsstrategie nötige Geschäftsfunktionen in andere, möglichst cloud-native Applikationen ausgelagert. Das bedeutet, dass die Decoupling-Strategie zum Kernbankensystem umfassender als in der Brownfield-Strategie umgesetzt wird – insbesondere auch hinsichtlich Datenmanagement – und deutlich mehr Software-Hersteller berücksichtig werden (make or buy). Bei diesem Szenario erachten wir vor allem die Wirtschaftlichkeit als kritischen Faktor. So werden Kernbankensysteme beispielsweise nicht nach verwendetem Funktionsumfang lizenziert, sondern orientieren sich an Umsatz oder Mitarbeiterzahlen (monolithisch eben). Ein Marktplatz mit entsprechenden Anwendungen-as-a-Service wie unsere Open-Finance-Plattform kann diesen Effekt zwar glätten, aber der Kern der wirtschaftlichen Problematik bleibt bestehen.

Stossrichtung hängt von Geschäftsstrategie ab

Wir sind überzeugt, dass wir alle drei Optionen bei Schweizer Universalbanken vorfinden werden. Für welche strategische Stossrichtung sich eine Bank entscheidet, ist konsequent aus der Geschäftsstrategie abzuleiten und wohl auch eine Frage der Grösse. So ist zum Beispiel vorstellbar, dass sich ein Institut mit einer ausgeprägten Operation-Excellence Geschäftsstrategie für die Brownfield-Strategie entscheidet und ihre Ziele erreicht. Kundenzentrierte Strategien (Customer Intimacy) oder Zielbilder mit prägnanten Geschäftsmodell- und Produktinnovationen (Product Leadership) kommen vermutlich zu einem anderen Schluss.

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Auf welchem Weg dürfen wir Sie begleiten? Sagen Sie es uns unter urs.rhyner@inventx.ch.

Industries: Banking