Thomas, was hat Dich überrascht an der diesjährigen Erhebung?

Grundsätzlich wenig. Wir machen die Studie jetzt zum fünften Mal und die Entwicklung ist sehr konsistent und erfreulich. Die Schweizer FinTech Industrie wächst jedes Jahr und wird bei guten Rahmenbedingungen reifer. Persönlich bin ich immer wieder überrascht, dass die Banken nicht mehr aus ihrer hervorragenden Ausgangslage machen. Sie hätten die Kundenbeziehungen und das Kapital, um wesentlich innovativer zu sein. Hier sehen wir nur wenige Beispiele im Markt und in unseren Umfragen.

Welche Herausforderungen müssen die FinTechs vor allem lösen?

FinTech sollte reale Probleme lösen, beispielsweise eine Preis- oder Kostensenkung ermöglichen oder Kundenbindung steigern durch einen höheren Grad an Benutzerfreundlichkeit. Viele FinTech-Unternehmen kämpfen jedoch mit der Herausforderung, Kundschaft zu finden. So konnte zum Beispiel die Distributed-Ledger-Technologie ihre Bedeutung für den Finanzsektor noch nicht zeigen. In der Finanzindustrie konnte sich bisher noch keine solche Anwendung breitflächig durchsetzen. Zukünftig könnte diese Technologie jedoch effiziente, transparente und rückverfolgbare Datenmarktplätze ermöglichen.

Wir machen seit drei Jahren eine Umfrage bei den FinTech-Unternehmen, was sie am meisten beschäftigt. Das dritte Jahr in Folge ist die Kundengewinnung (Durchschnittsscore von 6,8) die drängendste Herausforderung, gefolgt von Verfügbarkeit von qualifizierten Mitarbeitern und erfahrenen Managern (6.1), der Erweiterung in internationale Märkte (5.6) und Regulierung (5.6).

Die am wenigsten relevanten Herausforderungen sind die Produktions- oder Arbeitskosten (5.3), Wettbewerb (5.2) und der Zugang zur Finanzierung (5.0).

Welchen Beitrag kann Open Finance dabei leisten?

Wir haben das Kapitel in der Studie «Marketplace Banking» genannt. Es betrifft aus unserer Sicht eben nicht nur die Kundenschnittstelle wie in PSD2 reguliert, sondern auch die gesamte Softwareentwicklung, insbesondere zum Beispiel im Bereich AI oder im Betrieb mit Cloudlösungen. Anhand von «Marketplace Banking» lässt sich eine Layer-Architektur für Banken definieren. Ob diese allerdings für alle Drittparteien ganz offen ist, wage ich zu bezweifeln. Dies ist aus meiner Sicht allerdings auch nicht zwingend nötig. Denn auch nicht komplett offene Architekturen erlauben es, schneller und effizienter neue Softwareelemente oder Partner zu integrieren.

Wo gehen weitere Trends hin?

Die Bedeutung von «Tech» gegenüber «Fin» wird weiterwachsen. Sieben der zehn global grössten Unternehmen (gemessen an der Marktkapitalisierung per 2019) gehören der Kategorie der BigTechs an. Diese Tatsache unterstreicht die Relevanz von technologiegetriebenen Geschäftsmodellen. Die steigende Bedeutung von «Tech» gegenüber «Fin» wird auch in den Ergebnissen der Analyse von den von Schweizer FinTech-Unternehmen angewendeten Ertragsmodellen erkenntlich (siehe Abbildung). Diese zeigen eine zunehmende Tendenz hin zur Anwendung von IT-typischen Ertragsmodellen. Über die Hälfte der Schweizer FinTech-Unternehmen wenden als Ertragsmodell Lizenzgebühren oder Software-as-a-Service-Lösungen (SaaS) an. Daraus lässt sich schliessen, dass die Bedeutung der IT-typischen Modelle im Vergleich zu den Ertragsmodellen aus dem traditionellen Banking zunimmt. Jedoch wird von Schweizer FinTech-Unternehmen das Kommissionsgeschäft weiterhin am häufigsten verfolgt.

Abbildung: Von Schweizer FinTech Unternehmen angewendete Ertragsmodelle (n2019=152, mehrere Antworten möglich)

Wie siehst Du die Rolle eines Anbieters wie die Inventx in diesem Markt?

Die Schweizer Banken sind gemäss unserem CIO-Barometer im Bereich «Run the Bank» mit einem hohen Outsourcinggrad aufgestellt. In diesem Bereich ist Inventx ja eines der führenden Unternehmen im Schweizer Markt. Wo die Banken eher defensiv sind, ist im Bereich «Change the Bank». Inventx kann mit ihrer Integrationsplattform und vor allem ihrer Kompetenz ein Innovationsfenster zu nationalen und internationalen FinTechs, BigTechs, etc. und natürlich traditionellen Softwareprovidern bieten.

Thomas, wir danken für dieses Gespräch.

*Prof. Dr. Thomas Ankenbrand, Head of the Competence Center for Investments, Institute of Financial Services Zug IFZ, Hochschule Luzern